Maigret - 42 - hat Angst by Georges Simenon

Maigret - 42 - hat Angst by Georges Simenon

Autor:Georges Simenon [Simenon, Georges]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
ISBN: 9783257238426
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2009-02-01T23:00:00+00:00


Die Messe um halb elf

Als ihm einfiel, daß Sonntag war, begann er zu trödeln. Schon vorher hatte er sich mit einem heimlichen Spiel aus den frühesten Kindertagen vergnügt. Er spielte dieses Spiel manchmal noch, wenn er neben seiner Frau im Bett lag, wobei er darauf bedacht war, sie nichts merken zu lassen. Sie ließ sich täuschen und fragte, wenn sie ihm seine Tasse Kaffee brachte:

»Was hast du geträumt?«

»Warum?«

»Weil du so selig gelächelt hast.«

An diesem Morgen spürte er, noch ehe er die Augen aufschlug, wie ihm ein Sonnenstrahl durch die Lider drang. Und er spürte ihn nicht nur, sondern es war ihm, als sähe er ihn durch die feine Haut hindurch. Er fühlte ein leichtes Prickeln, und – wahrscheinlich durch das Blut, das in den geschlossenen Lidern zirkulierte – sah er die Sonne röter als sie in Wirklichkeit war, strahlend, wie man sie nur auf Bildern sieht.

Er konnte sich mit dieser Sonne eine ganze neue Welt erschaffen, mit Funkengarben und Vulkanen, mit Kaskaden flüssigen Goldes. Er brauchte nur ein wenig die Lider zu bewegen, wie bei einem Kaleidoskop, wobei ihm die Wimpern als Gitter dienten.

Über ihm auf einem Fenstersims hörte er die Tauben gurren und dann verschiedene Glocken gleichzeitig läuten; und er stellte sich die Kirchtürme vor, die in einen gewiß makellos blauen Himmel ragten.

Er spielte das Spiel weiter, während er gleichzeitig auf die Geräusche der Straße lauschte, und an der Art, wie die Schritte widerhallten, und an einer ganz besonderen Stille merkte er, daß es Sonntag war.

Er zögerte lange, bevor er den Arm nach seiner Uhr ausstreckte, die auf dem Nachttisch lag. Sie zeigte halb zehn. In Paris, am Boulevard Richard-Lenoir, hatte Madame Maigret, falls es dort endlich auch Frühling geworden war, bestimmt die Fenster geöffnet und räumte in Morgenrock und Pantoffeln das Schlafzimmer auf, während auf dem Herd langsam ein Ragout kochte.

Er beschloß, sie anzurufen. Da es in den Zimmern kein Telefon gab, mußte er es auf später verschieben. Er würde hinuntergehen und sie von der Telefonzelle aus anrufen. Er drückte auf die elektrische Klingel. Das Zimmermädchen kam ihm adretter und heiterer vor als gestern.

»Was möchten Sie essen?«

»Nichts. Ich möchte nur viel Kaffee.«

Sie sah ihn wieder auf die gleiche, neugierige Art an.

»Soll ich Ihnen ein Bad einlaufen lassen?«

»Erst wenn ich meinen Kaffee getrunken habe.«

Er zündete sich eine Pfeife an und öffnete das Fenster. Die Luft war noch kühl, und er mußte seinen Morgenrock anziehen; aber hin und wieder spürte man schon kleine, laue Luftstöße. Die Fassaden der Häuser und das Straßenpflaster waren wieder trocken. Die Straße war menschenleer. Nur hin und wieder spazierte eine Familie im Sonntagsstaat vorüber oder eine Frau vom Lande, die einen Strauß violetten Flieder in der Hand trug.

Auch das Leben im Hotel schien seinen Rhythmus verlangsamt zu haben, denn er mußte lange auf seinen Kaffee warten. Auf dem Nachttisch lagen noch die beiden Briefe, die er am Abend zuvor erhalten hatte. Der eine war unterschrieben. Die Schrift war klar, wie gestochen; der Brief war mit schwarzer Tinte geschrieben, die wie chinesische Tusche aussah.

Hat man Ihnen



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